Die Welt heute und in den nächsten Jahren wird stark geprägt sein durch weitere Individualisierung, Mobilität und Globalisierung. Dabei wird die Technologie des industriellen 3D-Drucks, also die additive Fertigung (additive manufacturing, kurz: AM) eine erhebliche Rolle spielen. Grundlage des Verfahrens sind digitale 3D-Modelle, aus denen Schicht für Schicht im Drucker physische Bauteile entstehen. Beschränkungen bei den geometrischen Formen gibt es fast nicht.
Das individuelle Einzelstück als Massenmarkt
Die Nachfrage seitens der Konsumenten wird sich in Richtung einer "Mass Customization" verschieben: Auf den persönlichen Bedarf zugeschnittenen Angebote, welche durch die Individualisierung von massenproduzierten Gütern mittels AM bedient werden können. Im 3D-Druck gibt es keinen wesentlichen Unterschied, ob in einer Bauphase 30 identische oder 30 individuelle Teile produziert werden. So wird eine starke Personalisierung von Produkten sogar in der Serienfertigung ermöglicht. Die maßgefertigten Produkte sind somit schnell, kostengünstig und am besten nah am Absatzmarkt herstellbar bzw. anbietbar. Die Gesundheitsbranche, die Lösungen für die ganz individuellen Bedürfnisse ihrer Patienten benötigt, ist hierfür ein Beispiel.
Standardlösungen greifen bei Menschen mit Behinderung oft zu kurz
In der Medizintechnik sind laut WHO weit über 1 Milliarde Menschen mit Behinderung weltweit auf passgenaue und kostengünstige Lösungen angewiesen. Allein 200 Millionen Menschen benötigen Brillen oder andere Sehhilfen und sind bisher von der Versorgung abgeschnitten. 70 Millionen Menschen benötigen einen Rollstuhl, jedoch verfügen nur zwischen 5 und 15 Prozent über einen solchen. Mit industriellem 3D-Druck kann hier zur Lösung beigetragen werden, insbesondere dort wo eine patientenindividuelle Versorgung erforderlich ist. Jeder Mensch ist einzigartig, Standardlösungen greifen daher oft zu kurz. Im Moment basieren Einzelanfertigungen jedoch zumeist auf traditionellen Fertigungsverfahren und sind somit zeit- und kostenintensiv.
Der 3D-Druck ermöglicht eine schnelle und kostengünstige Herstellung individueller hochwertiger Orthopädietechnik. Patienten erhalten jeweils die Produkte, die auf ihre individuellen Körpermerkmale und -ausprägungen angepasst wurden. Sie profitieren damit von hohem Tragekomfort und gesteigerter Funktionalität – dies mündet letztlich in einem gesteigerten Behandlungserfolg. Ferner kann z. B. eine Orthese einmal konstruiert, erneut in gleicher Qualität jederzeit wieder produziert werden. Diese Reproduzierbarkeit ist zum Beispiel bei Kinderorthesen relevant, die mit gleicher Struktur und Funktionalität, jedoch in veränderter Größe benötigt werden.
Digitale Assistenzsysteme
Darüber hinaus bieten Verfahren der erweiterten Realität (Augmented Reality), virtueller Realität (Virtual Reality), interaktive und multimediale Trainings- und Bediensysteme einschließlich 3D-Druck Lernmodelle und 3D-Scan für Menschen mit Leistungsminderungen neue Beschäftigungsperspektiven. Diese Assistenzsysteme machen Arbeitsanleitungen und Schulung/Training verständlicher und effizienter, sodass komplexe und schwierige Arbeitsprozesse vereinfacht werden können.
Auch die Politik hat die Vorteile erkannt und unterstützt Projekte im Bereich „Assistenzsysteme für Mitarbeiter/innen mit Behinderung“. So werden beispielsweise, mit Förderung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung, beim Netzwerk „Inklusion 4.0 Ruhr – Digitale Unterstützungssysteme für Mitarbeitende mit kognitiven Einschränkungen“ Anbieter und Anwender zusammengeführt. Hauptziele der Projekte sind es, Mitarbeitende mit geistigen Beeinträchtigungen durch die Entwicklung innovativer digitaler Assistenzsysteme zu befähigen, in Werkstätten und Betrieben ihre Arbeitsplätze zu sichern und auszubauen.
3D-Druck-Lösungen im Gesundheitswesen
Die additive Fertigung weltweit gesehen, ist somit eine der größten technologischen Innovationen für den sozialen und medizinischen Bereich. Laut SmarTech Analysis wird der Markt z. B. für industrielle 3D-Druck-Lösungen im Bereich Healthcare auf mehr als 9 Milliarden US-Dollar in 2024 geschätzt.
Bei der Globalisierung entscheiden Standort und Zeitfaktor
Es zeichnet sich ab, dass Firmen zunehmend das Ziel verfolgen, wieder stärker absatzmarktnah zu fertigen. Diese Entwicklung wird auch durch den 3D-Druck aufgegriffen. Bezogen auf Produktionslosgrößen, Produktionszeiten sowie Produktionsorte ermöglicht die additive Fertigung ein Höchstmaß an Flexibilität. Bauteile müssen zukünftig nicht mehr zentral gefertigt und dann global verteilt werden. Auch eine Verlagerung der Produktion z. B. in so genannte „Billiglohnländer“ ist nicht mehr erforderlich. Vielmehr können dezentrale Fertigungszentren digitale Bauteildaten empfangen und das Produkt direkt vor Ort 3D drucken. Dies senkt die Logistikkosten und den CO2-Ausstoß.
Besonders im Ersatzteilbereich sind kleine und individualisierte Produktionslosgrößen ein wesentlicher Vorteil. Das sorgt im Ergebnis für wegfallende Werkzeugkosten und verringerte Lagerhaltungskosten. Speziell kleine Bauteile für Industriegüter sind es, die zur großen Herausforderung werden können. Selbst normaler Verschleiß setzt der Langlebigkeit von Bauteilen im Lauf der Zeit so zu, dass ein Austausch nach 10 bis 15 Jahren fällig ist. Häufig hat der Hersteller dann bereits die Produktion bereits eingestellt. Hinzu kommt, dass es sich oft um kleine Stückzahlen handelt, die sich mit herkömmlichen Verfahren nicht wirtschaftlich abbilden lassen.
Die additive Fertigung bietet hier den Vorteil jederzeit neuwertige Ersatzteile herstellen zu können, ohne Einbußen bei Qualität oder Leistungsfähigkeit, selbst bei kleinen Losgrößen. Darüber hinaus reduzieren sich die Kosten, weil gegenüber der konventionellen Fertigung keine speziellen Werkzeuge hergestellt werden müssten.